Trauer - der Schmerz der Zurückgebliebenen

Es gibt keinen Weg an der Trauer vorbei, nur durch sie hindurch.

  • Nicht gelebte, verdrängte Trauer kann auf seelischer und körperlicher Ebene krank machen.
  • Meine Trauer ist nicht deine Trauer. Sie wird von jedem individuell erlebt. Abhängig von sozialem Hintergrund, Todesumstände, Qualität der Beziehung, Glauben/Spiritualität, Geschlecht (Männer trauern anders als Frauen und Kinder trauern anders als Erwachsene), kultureller Hintergrund und vieles mehr. 
  • In der Trauerarbeit wird der Betroffene auf sich selbst zurückgeworfen.
  • Die Trauer zeigt uns unsere Schwächen auf, fordert auf zur Auseinandersetzung mit uns selbst und bewirkt so die Heilung und Weiterentwicklung unserer Persönlichkeit. 
  • In unserer Gesellschaft hat gelebte Trauer keinen Platz, kein Verständnis mehr. Personen, die sich bewusst und intensiv mit ihrer Trauer auseinandersetzten, werden als schwach und unbequem empfunden. Hier liegt ein großer Irrtum vor, psychische Trauerarbeit ist Schwerstarbeit und erfordert Stärke und Mut. Mut sich dem Schmerz und stellen.
  • Zur Trauer gehören Tränen. Tränen heilen auf der seelischen und körperlichen Ebene.

Trauer ist die höchste Form von Stress

Die Auswirkungen können sich auf verschiedenste Art und Weise zeigen

Kognitive (Verstand/Denken) Ebene:

Konzentrationsstörungen, Verwirrtheit, Sinnestäuschungen Halluzinationen, Gedankenkarussell, Suchen, Idealisierung, Ignoranz, Identitätsstörungen, Zukunftslosigkeit, Suche nach Sinn, mechanisches Funktionieren, Suche nach einem Schuldigen.

 

Somatische (körperliche) Ebene:

Atem- und Herzbeschwerden, Appetitlosigkeit, Beklemmungen im Brustbereich, Ohrenrauschen, Gliederschmerzen, Alpträume, Unruhe, Schlaflosigkeit, Magen-Darmbeschwerden, trockener Mund, völlige Erschöpfung, erhöhte Mortalität, Störungen der Immunfunktion, Bluthochdruck und vieles mehr.

 

Emotionale Ebene:

Wut/Hass, Angst vor Zukunft und weiteren Verlusten, vor  Veränderung, Feindseligkeit, Gereiztheit, Leere, Hoffnungslosigkeit, Kontrollverlust, Überempfindlichkeit, sich nichts gönnen, Schuld, Gram, Sehnsucht, Erstarrung, Überaktivität, soziale und emotionale Einsamkeit, Vermeidung, Egozentrismus. 

 

Soziale Ebene:

Rückzug, Isolation (selbst gewählt/von außen), klammern, Einfrieren der Trauer durch exzessive Ritualisierung oder Verdrängung, Sublimierung, Rollenkonflikte, Probleme mit neuen Beziehungen, schnelle Substitution (Schuld, Verrat) Flucht in Ehrenamt.


Trauerphasen nach Verena Kast

  1. Trauerphase: Nicht-Wahrhaben-Wollen
    Der Tod eines Menschen schockiert immer, auch wenn er nicht unerwartet kommt. Auf einmal ist alles anders. Verzweiflung, Hilf- und Ratlosigkeit herrschen vor. Das Geschehene wird noch nicht erfasst, man leugnet es ab, man kann und will es nicht glauben. 
    Viele Menschen sind wie erstarrt, verstört und apathisch. Andere geraten außer Kontrolle, brechen zusammen. 
    Der Tod hat etwas Überwältigendes, der Schock sitzt tief. 
  2. Trauerphase: Aufbrechende Emotionen
    Leid, Schmerz, Wut, Zorn, Freude, Traurigkeit und Angst können an die Oberfläche kommen. Je nach der Persönlichkeitsstruktur des Trauernden herrschen verschiedene Gefühle vor. Man schreit den Schmerz heraus. Wut und Zorn entstehen gegen Gott und die Welt. Aber auch gegen den Toten werden Vorwürfe gerichtet. Diese aggressiven Gefühle können sich ebenso gegen einen selbst richten und als Folge davon entstehen Schuldgefühle, die den Trauernden quälen. 
    All diese Gefühle, die zu diesem Zeitpunkt über einen hereinbrechen, sollten keineswegs unterdrückt werden. Sie helfen den Schmerz besser zu verarbeiten. 
  3. Trauerphase: Suchen und Sich-Trennen
    Auf jeden Verlust reagieren wir mit Suchen, zum einen der reale Mensch, das gemeinsame Leben, gemeinsame Orte mit Erinnerungswert. Durch diese intensive Auseinandersetzung entsteht beim Trauernden oft ein starkes Begegnungsgefühl. Das ist unheimlich schmerzhaft und unendlich schön zugleich. Im Verlaufe dieses intensiven Suchen, Finden und Wieder-Trennens kommt einmal der Augenblick, wo der Trauernde  die innere Entscheidung trifft, wieder ja zum Leben und zum Weiterleben zu sagen oder aber auch in der Trauer zu verharren. Diese Phase kann Wochen, Monate oder Jahre dauern. 
  4. Trauerphase: Neuer Selbst- und Weltbezug
    Nachdem man seinen Schmerz herausschreien durfte, anklagen und Vorwürfe machen durfte, kehrt allmählich innere Ruhe und Frieden in die Seele zurück. Der Tote hat dort seinen Platz gefunden. 
    Langsam erkennt man, dass das Leben weitergeht und dass man dafür verantwortlich ist. Es kommt die Zeit, in der man wieder neue Pläne schmieden kann. Der Trauerprozess hat Spuren hinterlassen, die Einstellung des Trauernden zum Leben hat sich meist völlig verändert.

    Der Verstorbene bleibt ein Teil dieses Lebens und lebt weiter in den Erinnerungen und im Herzen.

 

Quelle: Liane Probst